Die Zugvögel des Gymnasiums München Moosach

Warum das Gymnasium München Moosach stolz auf sein Zugvögelprogramm ist, was das 50-jährige Schuljubiläum und den Autor Feridun Zaimoglu verbindet und warum Bildung eine wichtige Grundlage für Integration ist.

Das Zugvögelprogramm

© Gymnasium München Moosach

Ein ganz wesentliches Merkmal unseres Gymnasiums München Moosach (GMM) ist seine äußerst diverse Schülerschaft: Mittlerweile sind Schülerinnen und Schüler aus über 40 Nationen an unserer Schule vertreten. Moosach ist bunt oder – wie wir die Abkürzungen unseres Schulnamens deuten – unsere Schule steht für Gemeinsam, Menschlich, Mutig. Bereits vor über 15 Jahren hat man in der Deutschfachschaft erkannt, dass die Schule hier adäquat reagieren muss. Daraufhin wurde das sogenannte Zugvögelprogramm entwickelt.

In diesem speziellen Förderprogramm geht es darum, Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist bzw. in deren Elternhaus überwiegend eine andere Sprache gesprochen wird, optimal im Fach Deutsch zu fördern. Das bedeutet, dass sie in der 5. und 6. Klasse einen eigenen Deutschunterricht erhalten, der durch eine kleine Lerngruppe (maximal 12 Schülerinnen und Schüler) eine optimale Binnendifferenzierung erlaubt. Hinzu kommen weitere Förderstunden, in denen geübt, gefragt und intensiviert werden kann. Ab der 7. Klasse findet dann der Deutschunterricht in der regulären Klassengemeinschaft statt. Die zusätzlichen Förderstunden und die weitere Notengebung bieten gleichzeitig immer noch genügend Zeit für einen Feinschliff in der deutschen Sprache. Mit dem Abschluss der 8. Klasse ist dann auch das Zugvögelprogramm offiziell abgeschlossen. Das Unterrichten in diesem Förderprogramm ist zwar für alle beteiligten Lehrkräfte eine Herausforderung, die sie aber mit viel Elan und Freude angehen. Es ist für sie eine Herzensangelegenheit geworden, die Kinder, die viel Fleiß, Mühe und Neugier mit sich bringen, zu fördern und nachhaltig in das gymnasiale Schulleben zu integrieren. Dabei sind regelmäßige Teambesprechungen, eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern sowie das Eruieren von Fortbildungen und Unterrichtsmaterial für den sprachsensiblen Unterricht ständiger Begleiter dieser Arbeit.  Den Startschuss für jede neue Zugvögelgruppe gibt es immer im Sommer vor dem neuen Schuljahr im Zuge eines großen Kennenlernnachmittags.

Mittlerweile hat es schon viele Schülerinnen und Schüler aus den Zugvögelklassen gegeben, die dann ganz regulär ihr Abitur absolvierten, ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen haben und ihren Weg machten. Die Zugvögel sind ein ganz normaler Bestandteil unserer Schule und angesichts der Integrationsdebatten aktueller denn je.

Feridun Zaimoglu im Gymnasium München Moosach

Als im letzten Schuljahr das Gymnasium München Moosach sein 50-jähriges Bestehen feierte, gab es neben vielen anderen Veranstaltungen unter anderem auch eine von der Deutschfachschaft initiierte Lesung des renommierten Autors und vielfachen Preisträgers Feridun Zaimoglu. Dabei trafen wir auf einen Menschen, der nicht nur über einen Migrationshintergrund verfügt und diese Verbindung zu seiner Heimat, der Türkei, auch immer wieder literarisch zum Thema macht, sondern auch auf einen Mann, der einen ganz besonderen Bezug zu Moosach hat: Hier, in der Hugo-Troendle-Straße, wuchs er auf, verbrachte große Teile seiner Kindheit in der Moosacher Stadtbibliothek, versank in den Geschichten die er las, prügelte sich im Hinterhof oder wartete auf die schöne Eva, seine Kindheitsfreundin. Die Kindheit war nicht immer einfach, die Eltern waren nicht immer glücklich in Moosach und in Deutschland, die Arbeitssituation war nicht immer befriedigend. Doch da gab es seine Grundschullehrerin, die sich seiner annahm, ihn forderte und förderte, ihm die deutsche Sprache in ihrer ganzen Nüchternheit der Rechtschreibung und Grammatik beibrachte, ihn aber eben auch mit der Literatur vertraut machte. Das sollte eine ganz entscheidende Prägung für sein weiteres Leben sein. Es folgten auf die Moosacher Zeit, wie Feridun Zaimoglu es beschrieb, viele Orts- und Schulwechsel, eine nicht ganz einfache Zeit. Die Literatur war damals für ihn ein wichtiger Anker – so beschreibt er es, als wir ihn am Hauptbahnhof mit zwei schweren Koffern abholen („die sind alle voll mit Büchern, die ich lesen will“). Und so wird die Literatur sein Beruf. Er wird Schriftsteller und ein sehr erfolgreicher. Als wir ihn während der Lesung fragen, was er denn den ganzen Tag so macht, verweist er schmunzelnd auf sein fast schon eremitenhaftes Leben: Er lese sehr viel, er schreibe sehr viel. Und das sei ungeheuer spannend. Ob Zaimoglu heute wohl am GMM ein Zugvogel gewesen wäre? Sehr wahrscheinlich. 

Und da wird einem als Deutschlehrerin und als Deutschlehrer mal wieder der verantwortungsvolle Beruf verdeutlicht: Wir sind daran beteiligt, Biographien zu gestalten, Kinder bei ihren Talenten zu entdecken und zu fördern, ihnen Horizonte zu eröffnen, die sie so vielleicht noch gar nicht kannten und sie bei ihrem Berufswunsch zu unterstützen. Dabei muss nicht immer ein „Zaimoglu“ rauskommen. Reflektierte, mündige Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaft, die mit sich im Reinen sind und Lust auf das Leben nach der Schule haben. Das wäre ja schon was. Und alles beginnt damit, dass sie eine echte Chance bekommen und am Bildungssystem teilhaben können, weil sie rechtzeitig und adäquat in der deutschen Sprache gefördert wurden. Ich freue mich, zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen Teil des Zugvögelprogramms sein zu dürfen und damit auch ein Stück echte Integration leben zu können.

Mirjam Winkler

Mirjam Winkler

Frau Winkler ist seit 2007 am Gymnasium München Moosach Lehrerin für Deutsch und Latein, mittlerweile 2. Fachleitung Deutsch, Koordinatorin des Zugvögelprogramms und seit diesem Schuljahr auch mitarbeitende Lehrkraft im InGym-Programm (einem weiteren Deutschförderprogramm).

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